Skip to content

Malte Knaack, Illustrator

Malte Knaack

Lieber Malte, wie schön, dass du dir Zeit für uns nimmst!

Zeichnen ist ein Akt, mit dem sich fast alle Kinder ihre Umwelt erschließen. Indem sie ihre Umgebung abbilden, lassen sie uns an ihrer Wahrnehmung teilhaben. Hast auch du als Kind schon gern gezeichnet und gemalt? Und wie ging es dann weiter, wann hast du gemerkt, dass daraus eine Profession werden könnte?

Ich habe in der Grundschule schon ziemlich viel gezeichnet. Das waren Comicgeschichten, in denen Strichmännchen und Monster zusammen Abenteuer erleben. Manchmal auch große Wimmelbilder. Meine Eltern sagen, ich hätte damals auf diese Weise Schulstress abgebaut und Frust verarbeitet. Mein Vater bewahrt irgendwo noch ein Buch auf, in dem ich auf jeder Seite einen erfundenen Comiccharakter gezeichnet habe.
Eine lustige Anekdote: Es gab in meiner Grundschulklasse einen Jungen, mit dem ich nachmittags stundenlang Comics gezeichnet habe. Als wir aufs Gymnasium kamen, ist seine Familie weggezogen, und wir haben uns aus den Augen verloren. Vor ein paar Jahren habe ich ihn dann zufällig auf der Hochzeit einer Kommilitonin wiedergetroffen. Er lebt inzwischen in Berlin und arbeitet auch als Illustrator.
Spätestens in der Oberstufe war für mich klar, dass ich zumindest irgendetwas Kreatives beruflich machen wollte. In Hamburg hatte ich die Möglichkeit, ein Praktikum bei Philipp und Keuntje zu machen, während meine Bewerbung auf den Studienplatz an der HAW lief, und so bin ich in Hamburg gelandet.

Illustration von Malte Knaack

Neben der Hochschule für Angewandte Wissenschaften hast du auch an der School of Visual Arts (SVA) in New York studiert. Wie hast du beide im Vergleich erlebt, und was hast du im Rückblick aus deiner Studienzeit mitgenommen?

Das Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften war sehr frei gestaltet. In den Kursen gab es zwar vorgegebene Themen, aber die Projekte, an denen man arbeitete, konnte man weitestgehend selbst bestimmen. Die Professoren waren da, um einem bei Fragen Feedback zu geben und wertvolle Tipps, aber wenn man wollte, konnte man auch das ganze Semester lang den Kursen fernbleiben und seine Arbeit in Eigenregie fertigstellen. Da wurde nicht viel kontrolliert, und man war für sein Vorankommen selbst verantwortlich. Für mich war das ein Vorteil, da ich sowohl Kommunikationsdesign als auch Illustration machen wollte und so die Möglichkeit hatte, beide Disziplinen in fächerübergreifenden Projekten verbinden zu können.

An der SVA laufen die Kurse viel schulischer ab. Die Entwicklung eines Comics beispielsweise ist stark an der üblichen Vorgehensweise in der Comicindustrie orientiert. Es werden viel mehr Projekte in weniger Zeit gemacht, und es gibt weniger Raum für Experimente. Auch das war für mich eine gute Erfahrung, da man so wesentlich praxisorientierter arbeitete und natürlich schneller ein Portfolio aufbauen konnte.

Das Bild zeigt den Arbeitsplatz von Grafikdesigner Malte Knaack.

Gibt es Grafiker oder Illustratoren, deren Arbeit dich stark geprägt hat oder die dich heute besonders beeindrucken?

Ich bin ein großer Fan von Christoph Niemann. Ich mag seinen Humor und seine Art zu denken. Er betrachtet die Arbeit oft aus dem Blickwinkel eines Grafikdesigners, was mir sehr gefällt. Überhaupt ist er ja sehr selbstreflektiert und beschreibt seine Art zu arbeiten sehr anschaulich. In vielen Dingen kann ich mich da wiederfinden und wünschte, ich wäre ähnlich konsequent.
Im Urlaub durchstöbere ich gern die Regale von guten Comicläden, die ich finde. Ich gehe da oft mit der Erwartung rein, einen neuen Zeichner zu entdecken, dessen Stil mich umhaut und dessen Geschichten mich auf Jahre hinaus noch faszinieren.
Am Ende bleibe ich fast immer bei den Sachen von Hugo Pratt hängen, obwohl ich die Geschichten gar nicht so spannend finde. Aber ich liebe seinen Strich. Außerdem mag ich die Arbeiten von David Mazzucchelli und Paul Hoppe sehr gern.

Bevor du dich als freier Illustrator und Kommunikationsdesigner selbstständig gemacht hast, warst du als Grafikdesigner in der Werbung sowie als Layouter und Illustrator für Zeitungen und Magazine tätig. Deine Arbeiten für die „Financial Times Deutschland“ wurden mit zahlreichen Awards of Excellence der Society of News Design und des European Newspaper Awards ausgezeichnet. Wie haben dich diese beruflichen Stationen geschult für das, was du heute tust?

Neben dem Studium habe ich bei Philipp und Keuntje in Hamburg gearbeitet. Damals war die Agentur noch ganz jung und saß noch im alten Gemeindehaus auf St. Pauli. Ich habe den Artdirektoren zugearbeitet und das tägliche „Schwarzbrot“ mit erledigt. Dabei konnte ich ganz gut den Umgang mit den gängigen Grafikprogrammen lernen. Das hat viel Spaß gemacht, ich merkte aber auch, dass der reine Werbeagentur-Alltag auf lange Sicht nicht das Richtige für mich war.
Letztendlich habe ich mich mehr für Editorial Design interessiert und weiter in diese Richtung gearbeitet. Ich mochte das Zeichnen dafür aber nicht aufgeben und habe nach Möglichkeiten gesucht, beides miteinander zu verbinden. Bei der „Financial Times“ habe ich als Layouter gearbeitet, aber als die Kollegen dort merkten, dass ich auch illustrieren kann, habe ich schließlich beides gemacht. Nach dem Studium war das für mich der perfekte Job. Da habe ich auch gelernt, mit knappen Deadlines und kurzfristigen Korrekturen umzugehen. Die FTD erschien ja börsentäglich und wurde mit einer ziemlich hohen Schlagzahl produziert. Da kam ein Text manchmal erst gegen 15:00 Uhr, wurde dann noch zweimal überarbeitet, und um 18:00 Uhr musste die Seite fertig sein. Ich hatte also etwa 3 Stunden Zeit für eine Illustration mit bis zu 2 Korrekturschritten und habe gleichzeitig noch die ganze Seite gestaltet. Wenn das, was dabei herauskam, halbwegs plausibel war, waren alle zufrieden. Die Zeit in der Redaktion war toll, und ich konnte mit vielen tollen Kollegen zusammenarbeiten.
Letztendlich habe ich mich dann aber selbstständig gemacht, weil ich auch mal andere Aufträge mit anderen Timings und anderen Aufgabenstellungen übernehmen wollte.

Illustration von Malte Knaack

Welche Leistungen gehören heute alles zu deinem Portfolio?

Ich mache Illustration und Gestaltung, am liebsten nach wie vor für Magazine und Zeitungen. Inzwischen arbeite ich aber auch viel für Agenturen oder Direktkunden – also Unternehmen aus allen möglichen Bereichen. Seit einiger Zeit zeichne und produziere ich auch Videoscribing-Filme, in denen irgendein komplizierter Sachverhalt mit animierten Illustrationen erklärt wird. Diese Erklärfilme gibt es ja mittlerweile ziemlich oft und in unterschiedlichsten Qualitätsstufen. Sie werden trotz allem immer noch sehr häufig angefragt. Wenn es dabei etwas gibt, was ich allein nicht realisieren kann, arbeite ich mit einer Filmproduktionsfirma aus Hamburg zusammen.

Wie näherst du dich einer gestalterischen Aufgabe?

Meistens lese ich das Briefing ein paar Mal durch, hole mir einen Kaffee und mache mir Notizen zu dem Thema. Oft versuche ich auch noch weitere Informationen zu finden. Meistens entstehen dabei schon die ersten Bildideen. Da den ersten Ideen aber oft nicht zu trauen ist, kommt es auch oft vor, dass ich mit dem Auftraggeber Rücksprache halte und mich über das Thema noch einmal unterhalte. Meistens sammeln wir dabei aber nur halbe Bildideen und legen uns noch nicht sofort auf ein Motiv fest. Dann setze ich mich an den Zeichentisch und mache ein paar Entwürfe und Skizzen. Meistens ist dann schon etwas dabei, was man ausarbeiten kann oder was eine gute Grundlage bietet, um es mit dem Kunden zusammen weiterzuentwickeln.

Illustration von Malte Knaack

Schaut man sich deine Arbeiten an, dann fällt auf, dass viele Gestaltungen mit Tieren vertreten sind. Woher kommt diese Vorliebe, und was ermöglichen sie dir gestalterisch?

Tatsächlich? Das ist mir noch nicht aufgefallen. Es fällt mir leichter, Tiere zu zeichnen als Menschen. Man kann ihnen wunderbar verschiedenste Charakterzüge verleihen. Es ist ja ein altes Stilmittel in der Illustration und im Comic, menschliche Wesenszüge auf Tiere zu übertragen.

Als Illustrator, der für eine Wirtschaftstageszeitung tätig war, die in der Zeit der New Economy erschien, wurde das Zeichnen von Heuschrecken ja zu einer deiner Spezialitäten. Diese großartigen Zeichnungen kannten wir, als wir dich baten, dich für ARTLIT mit dem Thema Drachen und Prinzessinnen auseinanderzusetzen. Zu gestalten war das Rilke-Zitat: „Vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen“. Herausgekommen ist am Ende ein Poster, das die Intention des Dichters hervorragend umsetzt und Betrachter immer wieder besonders erfreut: Der Text ist aus schwarzem Karton ausgestanzt und diese Buchstabenschablone auf ein Drachenmotiv aufgesetzt. Das heißt, man kann die Worte anlüpfen, hinter ihnen ein fröhlich buntes Drachental entdecken – und damit der Aufforderung Rilkes nachkommen, sich seinen Ängsten zu stellen. Dabei ist es beinah ein wenig schade, dass man die fröhliche Drachengesellschaft nicht auf den ersten Blick sehen kann, so fantasievoll, wie es in ihr zugeht. Wie entstehen solche Zeichnungen? Machst du erst einen Gesamtentwurf, oder erwächst das Bild, indem eine Figur die nächste geradezu erfordert?

Ich mache vorher einen Gesamtentwurf, eine grobe Skizze, um den Bildaufbau festzulegen. Es ist einfacher, in diesem Stadium am Bildaufbau noch etwas zu ändern, als wenn die einzelnen Teile des Bildes schon ausgearbeitet sind. Es erleichtert auch die Zusammenarbeit mit Artdirektoren enorm, wenn man zwischendurch einen Stand der Dinge zeigen kann. Ich bewundere Zeichner, die einfach draufloszeichnen können, und man hat den Eindruck, dass jeder Strich sitzt. Ich wette aber, dass die meisten von ihnen trotzdem so etwas wie einen Gesamtentwurf im Kopf haben.

Illustration von Malte Knaack

Was es ebenfalls in unterschiedlichsten Varianten in deiner Arbeit gibt, ist die Kombination von Schrift und Zeichnung. Schrift gibt es dabei sowohl als kleine eingesetzte Botschaft als auch als zentrales Gestaltungselement. Magst du etwas zu deinem Verhältnis zu diesen beiden Komponenten sagen?

Das liegt vermutlich an meiner Vorliebe, Layout und Illustration als Gesamtprodukt zu betrachten. Da die Illustration jede beliebige Form annehmen kann, muss sie auf der Seite nicht in einem geschlossenen Kasten abgefeiert werden. Ein gezeichneter Krake zum Beispiel kann sich auch über die ganze Seite winden, die Headline verbiegen und Buchstaben herausklauen. Wichtig dabei ist, dass sich Text und Bild in dem Zusammenspiel ergänzen und Spannung erzeugen. Die inhaltliche Verbindung von beidem muss im Kopf des Betrachters passieren. Nichts ist langweiliger als eine Kiste, auf der „Schatzkiste“ oder eine Leiter, auf der „Karriereleiter“ steht.
Auf der anderen Seite können durch die Wahl der Schrift oder das Lettering ebenso Stimmungen und Assoziationen transportiert werden. So kann sich, je nachdem wie es eingesetzt wird, beides unterstützen oder sabotieren.

Malte Knaack

Mittlerweile bist du selbst Familienvater. Wie finden es deine Kinder, dass der Papa sein Geld mit Zeichnen verdient?

Für die ist das gar nicht ungewöhnlich, sondern ein Beruf wie jeder andere. Sie selbst wollen lieber Polizeitaucher, Astronaut oder Zauberer werden. Meine Tochter bietet mir aber regelmäßig ihre Hilfe an und hat auch schon mal versucht, selbst gemalte Bilder auf dem Schulhof zu verkaufen.

Mit welchen Projekten beschäftigst du dich derzeit?

Ich zeichne regelmäßig für die Wirtschaftszeitungen der „Stuttgarter Zeitung“, der „Nordwestzeitung“ und der „Rheinischen Post“, für die ich auch die Seitengestaltung mache. Außerdem gestalte ich zwei Rubriken im „Business Punk“ und mache regelmäßig die Cover-Illustrationen für verschiedene Fachmagazine aus dem Finanzsektor. Im Augenblick bin ich außerdem mit einer Porträtserie für eine Werbeagentur beschäftigt. Und dann liegen da noch Entwürfe für ein Kartenspiel und ein Comic auf meinem Schreibtisch, die ich schon seit Jahren mal fertigstellen will.

Lieber Malte, wir danken dir sehr für das nette Gespräch und wünschen toi, toi, toi für alles Weitere!

Malte Knaack ist als freier Illustrator und Kommunikationsdesigner tätig. Er arbeitet für zahlreiche Magazine und Zeitungen, zudem zeichnet und produziert er Whiteboard-Animationsfilme. Seine Werke wurden wiederholt mit „Awards of Excellence“ der Society of News Design sowie der European Newspaper Awards prämiert: malteknaack.com

© der Fotos: Malte Knaack

Warenkorb
An den Anfang scrollen